Gestalter und Impulsgeber Demeter Bayern
Martina Thalmayr und Engelhard Troll ganz privat
„Woher, wohin, wozu?“
Dazukommt immer noch ein qualitatives Wahrnehmen. In eine Begegnung eintreten, diese Begegnung aushalten und dann vielleicht kultivieren. Die Begegnung mit der Natur, mit den Menschen, mit den Kunden, mit den Mitarbeiter:innen.
Begegnung geht eigentlich immer und ist grundlegend für unsere Arbeit und Zusammensein.
Engelhard Troll | Kirchweidach
Der Betrieb ist sogar schon im 12. Jahrhundert inden Kirchenbüchern erwähnt. Nach der Säkularisation konnte er 1833 von den Vorfahren erworben werden. 1840 wurde unser jetziges Wohnhaus errichtet. Der Hof gehörte der Familie meiner Frau Anna, die ihn von ihrer Mutter übernommen hat. Sie war in der katholischen Landjugend sehr aktiv, in diesem Kreis war Bio-landwirtschaft zu der Zeit sehr angesagt. Sie hatte sich damals schon sehr für biologische Landwirtschaft interes-siert. Ich bin dann – als ich in der Nähe Zivildienst auf dem Betrieb Ackermann gemacht hatte - hierher gekommen, um bei der Umstellung zu helfen und bin dann hiergeblieben. 1980 hatten wir mit der Umstellung begonnen. Damals waren auf dem Hof noch vier Tanten und Onkel, die fleißig mithalfen. Das war alles noch sehr arbeitsintensiv. Wir waren-noch nicht so mechanisiert wie heute.
Gebürtig bin ich aus Unterfranken, meine Vorfahren sind aus Südmähren, mein Vater ist aus Franken. Nachdem meine Schwester behindert war, kam das so, dass meine Eltern einen anthroposophischen Arzt in Nürnberg aufgesucht haben. Derempfahl ihnen die biodynamische Ernährungslehre. Vor Ort fanden wir biodynamische Betriebe in Scheinfeld oder Gänheim, bei denen wir Milch und Getreide erwerben konnten. Die biodynamische Ernährung hat bei meiner Schwester zur Verbesserung geführt. So bin ich in die biodynamische Landwirtschaft reingekommen. Wir lernten biodynamische Höfe kennen, kauften regelmäßig dort ein. Bereits 1975 sind wir zu den Gruppentreffen vor Ort gegangen. Wir hatten kleinere Grundstücke in Volkach am Main und da haben wir dann selber biodynamisch gewirtschaftet. Damals habe ich mich schon für Landwirtschaft und speziell fürdiese Form der Landwirtschaft entschieden und bin dann eben zum Zivildienst in den Chiemgau. Es war damals möglich, den Zivildienst auf dem Hof Ackermann abzuleisten. Anschließend habe ich noch die Lehre fertig gemacht, bei Bernhard Hack, und dann noch die Meisterprüfung hinten drangehängt.
Als wir 1980 umgestellt haben, waren hier auf dem Hof Tanten & Onkel und die Mutter meiner Frau. Sie hat morgens das Grünfutter mit einem 25er Eicher geholt. Insgesamt eine gute Zusammenarbeit.
Die Nachbarschaft selber hat unser Vorhaben sehr kritisch gesehen und natürlich auch der eine Onkel, der war beim SKW-Karbidwerk angestellt.
Die machten dort Kalkstickstoff. Der war sehr skeptisch und hat immer empfohlen, man müsste hier und da noch etwas hinstreuen und so. Das haben wir aber nicht gemacht. Dann war es so, dass wir zur Demeter Arbeitsgemeinschaft Chiemgau gingen. Ich kannte ja schon die Betriebe Waltenberg und Grub mit der Pfllanzenzüchtung.
Dahin hatten wir Kontakt. Damals war Jochen Ackermann Vorstand der AG Chiemgau und hat hier in der ganzen Gegend Vorträge über den Mondkalender gehalten, den er auch speziell auf Basis des Aussaatkalenders von Frau Thun abgewandelt hat für Stallangelegenheiten, etc. Das ist damals sehr gut angekommen, bei Gartenbauvereinen, überall. Im Chiemgau war bereits 1973 die Demeter-Milchanlieferung nach Truchtlaching möglich. Nach der Umstellung konnten wir da auch die Milch abliefern.
Vorher waren wir bei Bärenmarke in Weiding. Der Vertrag konnte dann aufgelöst werden. Ziemlich bald war ich dann in der Vorstandsarbeit bei der AG Chiemgau tätig. Ungefähr Anfang der 90er Jahre. Zunächst als Kassier, später dann als Vorstand, nachdem Jochen Ackermann verunglückt war.
Dadurch, dass wir seit 1975 von Volkach aus die biodynamische Landwirtschaft kennenlernten, habe ich auch mitbekommen, wie das in frühen Jahren begann. Wir konnten z.B. in Scheinfeld, das sind 40 Km entfernt von Volkach bei Hans Lems im Steigerwald Vorzugsmilch holen. Frau Lems hat
immer Brot gebacken und wir haben uns da eindecken können. Und dieser Betrieb hat aber nur deshalb die Vorzugsmilch machen können, weil auf Anregung der Demeter Verbraucher Nürnberg e.V. die Milch nachgefragt wurde. Die haben den Betrieb damals protegiert und gefördert. Das waren ja nur 50 Kilometer bis Nürnberg. Die Demeter Verbraucher waren damals sehr aktiv - bis vor kurzem auch mit in der Organisation der Demeter Herbsttagung. Ähnlich auch mit dem Münchner Verbraucherverein. Die hatten ja Kontakt, speziell Herr Hartz, mit der Familie Ackermann. Sie haben ebenfalls Milch aus dem Chiemgau nach München geliefert, mit Hilfe von Thomas Greim, dem Gründer von Denree. Das ist eine interessante Parallele von Nord und Südbayern.
Wir haben aber noch mehr Biodynamiker damals kennengelernt. Da gibt es den Betrieb Keidel in Gänheim. Theo Keidel, ein ganz eiserner Pionier, der unter großen Widerständen eine Aussiedlung aus Dorflage in Gänheim zwischen Arnstein und Schweinfurt bewerkstelligt hat, die Aussiedlung Lindenhain. Die besteht bis heute. Da wirtschaftet schon sein Enkel. Ein anderer Sohn von Theo Keidel hat den Betrieb von Herbert Vogel übernommen im Frankenwald, von wo auch Thomas Greim herstammt. Thomas Greim hatte da oben auch eine Demeter-Molkerei in Schwarzenbach an der Saale betrieben. Er hat die Milch von Herbert Vo-gels Betrieb verarbeitet und von Gut Wernstein, wo Baron von Künßberg einen neuen Stall für 70 Kühe errichtet hatte.
Baron von Künßberg haben wir als Kinder öfters besucht.
Zu Baron von Künßberg: Er hat mich als Kind schon bei Betriebsbesichtigungen sehr beeindruckt und in meiner Berufswahl beeinflusst. Er hat als 25-jähriger Kriegsheimkehrer das Gut Wernstein umgestellt. Aber durch die enormen Patronatslasten und auch wegen des enormen Unterhaltes des Renaissance-Schlosses existiert der Betrieb leider nicht mehr. Baron v. Künßberg verbrachte die letzten Lebensjahre in seinem Forsthaus.
In dieser Zeit war das so, dass Demeter-Landwirte, die aus Osteuropa vertrieben wurden, biodynamische Beratung im Westen übernahmen . Da war zum Beispiel Harald Kabisch in Coburg. Der war sehr oft bei meinen Eltern zu Besuch. Der hat dann immer Schuberts Forelle am Klavier gespielt. Er war auch auf der Nürnberger Herbsttagung. Meine Schwester und ich durften immer die Eintrittskarten verkaufen. Solche Erinnerungen habe ich noch.
Es waren noch andere Berater aus dem Osten da. Almar von Wistinghausen, der war bei Heilbronn, sein Sohn Christian gründete Demeter Felderzeugnisse, um eine Alternative zum Zuckerrübenanbau zu haben und baute die Präparatearbeit in Mäusdorf auf. Oder Krafft von Heynitz, der war von einem Rittergut in Sachsen vertrieben worden und hatte auch die große Bauerngruppe im benachbarten Hohenlohe. Die haben da in den ersten Jahren eigentlich fast ehrenamtlich die Beratung geleistet, bis es altersmäßig nicht mehr möglich war.
Harald Kabisch ist ja tragisch an einem Bahnübergang bei blendender Sonne verunglückt. Er hatte auch noch in weiteren Gebieten beraten. Es gab Hopfenbauern am Bodensee, die er beraten hat. Auch den Betrieb von Simon Mair am Starnberger See. Es gab eine Konzentration von Betrieben im Chiemgau um Kasten und Waltenberg. Diese Betriebe waren stark in Kontakt mit Kärnten in Österreich. In Kärnten war der Wurzerhof mit Nikolaus und Reimund Remer und ich weiss nicht genau Franz Dreidachs und Erhard Bartsch, die waren auch da in dem Zusammenhang. Die wiederum hatten Kontakte zur Marienhöhe. Dem Hof in Brandenburg, der ununterbrochen biodynamisch bewirtschaftet wurde.
Der Kärntner Tierarzt Leo Selinger prägte lange Jahre die Chiemgauer Herbsttagungen. Also von daher gab es immer enge Kontakte untereinander.
Dann später ist es so gewesen, dass sich eine biodynamische Vereinigung der Arbeitsgemeinschaften gebildet hat in Bayern und das war eigentlich zunächst nur mal gedacht als Sprachrohr nach außen zur Politik hin und so weiter. Das war um 1975-1980. Die Arbeitsgemeinschaften waren regional sehr unterschiedlich ausgeprägt in Bayern, die waren sehr stark, haben auf ihre Selbstständigkeit bestanden, also haben wir ein Zentrum im Chiemgau gehabt und in Oberfranken und dann noch die bei den Verbraucherverbände München und Nürnberg.
Dann kam es so, dass die Treuhandsstiftung von der GLS Bank, Beraterstellen finanziert hat in Bayern und Arnold Kimmerl, der eigentlich Förster beim Bayerischen Staat war, der hat von Pfreimd in der Oberpfalz aus die Geschäften von diesem Verein geführt und die Berater eingeteilt mit wechselndem Erfolg.
Das waren meistens junge Hochschulabsolventen. Sie haben sich hier unterschiedlich gut etablieren können, weil natürlich die bestehenden Betriebe, die waren ja eigentlich gut beraten gewesen, auch mit antroposophischen Hintergrund. Ich kann mich an einen der alten Berater erinnern, hier im Chiemgau, der baltische Wurzeln hatte, Fritz Balnus. Der hat auch im badischen Bereich beraten und sehr stark im Obstbau und Weinbau. Also das waren Menschen, die wirklich prägen konnten und denen verdanken wir im Westen sehr viel von der ganzen biodynamischen Bewegung.
Mit den neuen Beratern, war das dann so, da bin ich dann auch reingewachsen, weil so einer von diesen jungen Beratern war Bernd Trautvetter, der ist jetzt auch noch in der Biobranche tätig, aber nicht mehr bei Demeter. Der hat dann mal gesagt, wir brauchen einen neuen Vorstand in Bayern, der wenigstens mal mit dem Papier raschelt. Und da wurde Dietrich Pax gewählt. Er war auf einem Gärtnerhof bei Augsburg und ich wurde dann zweiter Vorsitzender. Dieser Verein war zunächst eigentlich ein Beraterverein. Die Vorstandsitzungen waren eher Beratertagungen, an denen die tägliche Arbeit einmal im Monat, ganztägig besprochen wurde. Das war schon ein gewisser Aufwand. Einmal im Monat nach Nürnberg fahren. Das System wurde dann abgelöst, es wurde eine eigene Geschäftsstelle eingerichtet. Zunächst auf einem Bauernhof nördlich von München, danach in Zolling, wo sie derzeit ist.
Ein Satz der mir dazu spontan einfällt ist von Rudolf Steiner: „Suchet das wirkliche, praktische, materielle Leben.“ Das ist mal eine Basis.
Das andere ist die urmenschliche Eigenschaft, immer zu fragen: „Woher, wohin, wozu?“ Dazu kommt immer noch ein qualitatives Wahrnehmen. In eine Begegnung eintreten, diese Begegnung aushalten und dann vielleicht kultivieren. Die Begegnung mit der Natur, mit den Menschen, mit den Kunden, mit den Mitarbeiter:innen.
Begegnung geht eigentlich immer und ist grundlegend für unsere Arbeit und Zusammensein.
Das Interview führten: Martina Thalmayr & Iris Leonhardt | 13.12.2023